Das Ende vom freien Internet durch das digitale Machtmonopol

Was vor über 30 Jahren noch als Versprechen für grenzenlose Information und freie Meinungsäußerung galt und das Informationszeitalter der Menschheitsgeschichte einläuten sollte, ist heute nichts weiter als ein seelenloser Friedhof. Eine Handvoll US-Tech-Konzerne erwirtschaften Rekordgewinne, die größer sind als das Budget so mancher Staaten und greifen dabei mit ihrem Machtmonopol aktiv in unsere Wahlen ein. Die Rede ist vom Internet. Wie groß ist diese Machtkonzentration wirklich und warum markiert sie das Ende freier Medien?

 

Digitale Machtkonzentration - Was ist Big Tech & wie mächtig sind sie?

Unter „Big Tech“ versteht man die dominierenden Technologieunternehmen aus den USA: Alphabet (Google), Meta (Facebook, Instagram, WhatsApp), Amazon, Apple und Microsoft. Diese Konzerne kontrollieren die zentralen digitalen Infrastrukturen – von Suchmaschinen über soziale Netzwerke bis hin zu Cloud-Diensten – und entscheiden damit, welche Informationen Menschen weltweit überhaupt zu Gesicht bekommen.

Doch könnte man nicht einfach auf Alternativen ausweichen? Leider nein. Eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung zur Internetnutzung in Deutschland kam zu einem erschreckenden Ergebnis: Obwohl es über 16 Millionen registrierte Domains gibt, entfallen nahezu alle Zugriffe auf eine winzige Auswahl an Plattformen. Nur etwa 131.000 Webseiten verzeichnen überhaupt nennenswerte Besuche – das sind weniger als ein Prozent aller existierenden Seiten.

Diese extreme Ungleichverteilung zeigt sich besonders im Traffic, also dem gesamten Datenverkehr, der durch Nutzer*innen im Internet erzeugt wird. Big Tech zieht über 45% dieses Traffics auf sich: YouTube, Facebook, Google und Amazon dominieren das digitale Leben, während der Rest des Internets nahezu ungenutzt bleibt – ein digitaler Friedhof.

Diese Konzentration entspricht einer Vermögensverteilung von 98,8% - ein digitales Monopol, das den Grundprinzipien eines freien Internets widerspricht. Das hat tiefgreifende Folgen: Während das Internet ursprünglich als dezentralisierte Struktur gedacht war, in der Nutzer*innen sich frei von einer Seite zur nächsten bewegen konnten, haben die großen Plattformen dieses Prinzip weitgehend verdrängt. Sie haben geschlossene Ökosysteme geschaffen, die Inhalte in sich behalten, anstatt sie ins offene Netz weiterzuleiten. Dadurch wird der restliche digitale Raum zunehmend bedeutungslos – unabhängige Webseiten verschwinden in der Unsichtbarkeit, während die Reichweite und Kontrolle von Big Tech immer weiter wächst.

 

Das Mediensystem steht vor dem Ruin

Digitale Medien haben klassische Medien längst verdrängt. Das zeigt sich nicht nur daran, dass vor allem junge Menschen ihre Informationen fast ausschließlich aus dem Internet beziehen, sondern auch an den Werbeausgaben von Unternehmen: Sie investieren ihr Geld dort, wo die größte Reichweite erzielt wird. Während 1989, im Geburtsjahr des Internets, Werbung ausschließlich in Print, Radio und Fernsehen geschaltet wurde, überholten digitale Plattformen 2020 erstmals die etablierten Medien als wichtigster Werbemarkt. Prognosen gehen davon aus, dass bis 2029 rund drei Viertel aller Werbeeinnahmen in den digitalen Raum fließen werden.

Spätestens dann haben klassische Medien keine wirtschaftliche Basis mehr, um gegen die Dominanz der Plattformen anzukämpfen. Sobald die Big Tech Konzerne zur zentralen Infrastruktur der politischen Öffentlichkeit geworden sind, können sie den Informationsfluss vollständig kontrollieren. Sie entscheiden, welche Inhalte sichtbar bleiben, welche verschwinden und wer gehört wird – eine Machtverschiebung, die den demokratischen Diskurs nachhaltig zerstört.

 

Politische Kapitulation vor der Plattformmacht

Auch politische Parteien haben sich den US-Tech Giganten längst unterworfen und zahlen Rekordsummen für digitale Werbung. Wahlkämpfe ohne Facebook, Instagram, YouTube und TikTok sind undenkbar geworden. Der Algorithmus dieser Plattformen ist allerdings ein Geschäftsgeheimnis, gesteuert von Profitinteressen und maximierter Interaktionszeit. Wer seine Inhalte bewirbt, kann nicht kontrollieren, wie und wem sie letztendlich ausgespielt werden.

Besonders perfide ist das sogenannte Microtargeting: Parteien sprechen Wähler*innen gezielt nach Interessen, Ängsten oder Vorlieben an. Neben datenschutzrechtlichen Bedenken schließt Microtargeting auch bestimmte Personengruppen von der politischen Kommunikation aus. Das ist eine fundamentale Gefahr für die Demokratie.

Big Tech entscheidet also, welche politischen Inhalte gesehen werden - und welche nicht. Parteien zahlen zunehmend dafür, von Algorithmen bevorzugt zu werden. Sie machen sich damit abhängig von den Interessen einiger weniger US-Konzerne und der politische Diskurs verlagert sich dadurch in Räume, die keiner demokratischen Kontrolle unterliegen - sondern einzig der Logik des Profits.

 

Fazit

Die zunehmende Machtkonzentration im digitalen Raum stellt eine ernsthafte Bedrohung für die freie Meinungsbildung, die Vielfalt der Medienlandschaft und letztlich für die Demokratie selbst dar. Was einst als dezentrale, offene Infrastruktur begann, ist heute ein von wenigen Konzernen kontrolliertes Ökosystem, in dem wirtschaftliche Interessen über gesellschaftliche Verantwortung triumphieren. Wenn Suchergebnisse, Nachrichtenströme und politische Botschaften durch undurchsichtige Algorithmen gefiltert werden, geraten zentrale demokratische Prozesse unter privatwirtschaftliche Kontrolle.

Um dieser gefährlichen Entwicklung entgegenzuwirken, ist ein grundlegendes Umdenken erforderlich. Es ist dringend notwendig, die Algorithmen dieser Plattformen offenzulegen, auf Open-Source-Plattformen zu setzen und die Demokratisierung unserer Gesellschaft auch im digitalen Universum aktiv voranzutreiben. Nur durch Transparenz, Kontrolle und die Stärkung gemeinwohlorientierter Alternativen kann verhindert werden, dass die Demokratie weiter in die Fänge von Profitinteressen gerät.

 

Text: Patrick Tuma