Kampffeld Minderheitenrechte

Kärntens „Slowenisierung“ soll gestoppt werden. Mit diesen Worten hat die FPÖ- Jugendorganisation in Kärnten ein Instagram-Posting veröffentlicht. Doch nicht nur die Jugendorganisation spricht von einer „Slowenisierung“, auch im Wahlprogramm der FPÖ Kärnten wird Angst vor einer angeblichen „Slowenisierung“ geschürt und Maßnahmen dagegen gefordert. Die Empörung und Wut unter Kärntner Slowen*innen und über ihre Volksgruppe hinaus war groß, denn die kärntner-slowenische Minderheit wird mit diesen Aussagen als Bedrohung dargestellt, während in der Realität noch nicht einmal alle Rechte, die der Minderheit verfassungsmäßig zustehen, in der Praxis umgesetzt worden sind. Wieder einmal schwört die FPÖ eine Bedrohung herbei, indem sie Angst vor einer marginalisierten Gruppe schürt. 

Die Geschichte der Kärntner-Slowen*innen ist von Diskriminierung und Ausgrenzung geprägt. Schon bei der Volksbefragung 1920, als sich die Mehrheit der slowenischsprachigen Bevölkerung dafür ausgesprochen hat, Teil von Österreich zu bleiben, wurde der Erhalt und die Förderung der Minderheit versprochen, aber nie in der Realität umgesetzt. Während des Zweiten Weltkrieges wurde die slowenische Sprache in der Öffentlichkeit verboten, slowenische Namen wurden „Eingedeutscht“, slowenische Vereine und Büchereien wurden verboten und ab 1942 kam es zu über 1.000 Deportationen von Kärntner-Slowen*innen. Viele schlossen sich infolgedessen dem Widerstand an. Die Kärntner Partisanen waren damit ein wichtiger Bestandteil des Widerstandes im NS-Regime.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im Artikel 7 des Staatsvertrags die Minderheitenrechte festgelegt. Damit sollten Kärntner-Slowen*innen in Kärnten dieselben Rechte wie der deutschsprachigen Mehrheitsbevölkerung garantiert werden. Konkret heißt das: Die Presse darf in der eigenen Sprache berichten, slowenischsprachigen Schulen können betrieben werden, Slowenisch muss als Amtssprache auch bei Behörden geführt werden und auch Straßenzeichen wie etwa Ortstafeln müssen zweisprachig sein. Doch ein Großteil dieser Rechte wurde bis heute nur zu einem kleinen Teil umgesetzt. So zieht sich zum Beispiel der Kampf um zweisprachige Ortstafeln bis heute. Als die ersten zweisprachigen Ortstafeln in den 70er-Jahren aufgestellt wurden, kam es im Zuge des „Ortstafelsturms“ zum Abriss der Tafeln durch Rechtsextreme. Vor allem die FPÖ und später das BZÖ unter Haider wetterten gegen die slowenischsprachige Minderheit und das Aufstellen von zweisprachigen Ortstafeln. Bis heute muss trotz einer „Einigung“ im Ortstafelstreit die kärntner-slowenische Minderheit mit weniger Rechten auskommen, als ihnen damals im Staatsvertrag versprochen wurde.

Während es damals die Ortstafeln waren, ist es heute die geplante Ausweitung der zweisprachigen Gerichtsbarkeit, die die FPÖ als Aufhänger nimmt. Mit dem heutigen Vorwurf der „Slowenisierung“ erfindet die FPÖ keine neue Sündenbockstrategie, sondern adaptiert Aussagen, die sich in abgewandelter Form durch die Geschichte der Kärntner-Slowen*innen ziehen. Mit diesem Vorwurf schürt die FPÖ Ängste, die weit an der Realität vorbeigehen. Seit dem 20. Jahrhundert nimmt die Zahl der Kärntner-Slowen*innen ab, kaum überraschend nach Jahrzehnten geprägt von Assimilierungsdruck und Abwanderungen. Während man also eigentlich über Minderheitenrechte reden sollten, wird das Feindbild der Kärntner-Slowen*innen von der FPÖ weiterhin reproduziert. Das Posting der FPÖ-Jugend sorgte damit zurecht für viele Reaktionen, selbst aus Slowenien hagelte es Kritik und es war kurzzeitig auch ein Verbotsverfahren gegen die FPÖ-Jugend in Diskussion. Vor allem aber wurde die Forderung laut, dass endlich alle Rechte des Artikel 7 erfüllt werden müssen. Eine Ausweitung der zweisprachigen Gerichte wäre hierfür ein wichtiger Schritt. Doch bleibt auch im derzeitigen politischen Klima, in dem die Erzählung der kärntner-slowenischen Bedrohung ein Comeback feiert, die Erfüllung der Minderheitenrechte ein Kampffeld.

 

Text: Lena Stern