100 Jahre Frauenreferat der Arbeiterkammer und der Equal Pay Day

Vor 100 Jahren, im Sommer 1925, beschloss die Arbeiterkammer die Einrichtung eines Frauenreferats. Dieses soll sich erstmals systematisch mit dem Thema Frauenarbeit beschäftigen. Das war ein Forschungsfeld, das bis dahin kaum Beachtung gefunden hat. Auch 100 Jahre später sehen wir, dass Frauen in der Arbeit schlechter entlohnt werden und zu Hause den Großteil der Arbeit alleine verrichten.

 

Fortschritte ab 1918 – auch für Arbeiterinnen?


Zwar wurden in der neuen Republik ab 1918 erste soziale Fortschritte erzielt, von denen Frauen stark profitieren – darunter die Einführung der 44-Stunden-Woche für Frauen sowie die Sozial- und Arbeitslosenversicherung oder ein erster Hausgehilfinnengesetz. Doch die Realität vieler Arbeiterinnen bleibt eine andere: niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen und wenig Schutz im Berufsalltag prägen weiterhin ihren Alltag. Und das zu Hause ist kein Ort der Erholung, stattdessen wartet hier nur noch mehr Arbeit. Wäsche waschen, um die Kinder kümmern, kochen, putzen – all das bleibt zum Großteil an der Frau hängen, die diese gesellschaftlich notwendige Arbeit unbezahlt erledigt.

 

Die Gründung des Frauenreferats 


Das Frauenreferat soll seine Arbeit genau diesen Arbeiterinnen widmen und ihre Lebensrealitäten in der Lohnarbeit sowie zu Hause erfassen, damit darauf aufbauend politische Forderungen formuliert werden können. Käthe Leichter ist von 1925 bis zum austrofaschistischen Putsch 1934 die erste Leiterin des Referats. Sie gibt verschiedene Studien zur Lage der Frau in der Lohnarbeit. Ziel ist nicht nur sichtbar zu machen in welchen katastrophalen Verhältnisse die meisten Frauen arbeiten und leben, sondern auch erstmals Zahlen zu erheben. Durch ihre Erhebungen wird schnell klar: besonders schlecht entlohnte und prekäre Arbeit ist mehrheitlich weiblich – zum Beispiel Heimarbeit oder die Arbeit als Dienstmädchen. Diese Arbeit ist zusätzlich dezentral und somit sind die wenigen Vorschriften, die auch für diese Branchen gelten, kaum kontrollierbar und werden häufig umgangen.

 

Systematische Erhebungen: Das „Handbuch der Frauenarbeit“ und „So leben wir“


Ein Grundwerk des Frauenreferats stammt aus der Zeit der ersten Republik. Das umfassende „Handbuch der Frauenarbeit“ wird 1930 herausgebracht. Dabei gibt es nicht nur Beiträge von Arbeiterinnen unterschiedlichen Branchen. Der fast 700 Seiten dicke Band wird ergänzt durch historische Beiträge zur Entwicklung der Frauenarbeit sowie zu gegenwärtigen gesellschaftlichen und gesundheitlichen Problematiken der Frauenarbeit. Ihre letzte große Studie bringt Käthe Leichter 1932 heraus. In „So leben wir“ berichten 1320 Industriearbeiterinnen nicht nur ausführlich über die Arbeitsverhältnisse in ihren Branchen und Betrieben, sondern auch über ihren Alltag nach der Lohnarbeit. Es wird festgehalten: „Für Frauen ist zu Hause nur Schichtwechsel“. Denn auch nach einem langen Arbeitstag können die wenigsten Frauen sich zu Hause regenerieren. Stattdessen müssen sie kochen, waschen und sich um die Kinder kümmern. Nur die Hälfte der Studienteilnehmerinnen gibt an, dass sie bei dieser Arbeit Unterstützung bekommen – und wenn, dann in den meisten Fällen von anderen Frauen wie der Mutter. Der Mann trägt selten zum Haushalt bei.

 

100 Jahre später 


100 Jahre später hat sich arbeits- und frauenpolitisch in Österreich zwar einiges getan – so ist es zum Beispiel seit den 1970er Jahren verboten, Frauen schlechter zu entlohnen als Männer. Wenn wir uns die Realität anschauen, sehen wir aber, dass es längst nicht so einfach ist. Denn Frauen verdienen in Österreich noch immer erheblich weniger als Männer. Der genaue Unterschied wird jedes Jahr von der Arbeiterkammer ausgerechnet, in Wien beträgt er 2025 7.103€, die Männer mehr verdienen als Frauen. Ähnlich wie Käthe Leichter und ihr Team 1925 stellen wir aber auch 2025 fest, dass Branchen, die besonders schlecht entlohnt werden und besonders harte Arbeitsbedingungen aufweisen, mehrheitlich weiblich und migrantisch sind. Und dank der Zeiterhebungsstudie, die statistisch aufzeigt, wie Frauen und Männer ihre Zeit nach der Arbeit verbringen, sehen wir ganz eindeutig, dass auch im Jahr 2025 noch das gilt, was das Frauenreferat schon vor 100 Jahren festgestellt hat: Für Frauen ist zu Hause nur Schichtwechsel, denn sie verrichten den Großteil der unbezahlten Arbeit, die unsere Gesellschaft am Laufen hält. Diese Erhebungen sind 2025 genauso wichtig wie vor 100 Jahren. Denn in einer Zeit, in der neoliberale Politiker*innen uns weiß machen wollen, dass die Probleme von Frauen in der Arbeitswelt sowie zu Hause individuelle Schicksale sind, aus denen man sich einfach hocharbeiten kann, brauchen wir diese Daten. Sie zeigen uns, dass es sich um gesamtgesellschaftliche Probleme im Kapitalismus handelt. Denn wie einst Käthe Leichter wissen auch wir: es braucht Reformen, um die unmittelbaren Verhältnisse im Kapitalismus für Arbeiterinnen zu verbessern. Aber die Befreiung der Frau wird’s nur im Sozialismus geben!

Text: Fanny Giessmann