Die Rolle der Medien im Wahlkampf

Medien nehmen in unserer Gesellschaft eine zentrale Rolle ein. Während ihre Möglichkeiten lange Zeit durch Repression und Zensur stark begrenzt waren, änderte die Entstehung von Demokratien in vielen Teilen der Welt auch die Rolle der Medien. Mittlerweile wird Medien eine wichtige, politische Kontrollfunktion zugeschrieben. Die Aufgabe von Journalist:innen beschränkt sich demnach nicht auf die Wiedergabe von politischen Ereignissen, sondern schließt auch die Einordnung und Bewertung derselben ein. Neben den klassischen drei Säulen unserer Gewaltenteilung (Parlament, Regierung, Justiz) werden die Medien als vierte Säule betrachtet, deren Aufgabe es ist, die Bevölkerung mit unabhängigen und überprüften Informationen zu versorgen. 

 

Die Eigentümerstruktur 

Diese wichtige, theoretische Rolle der Medien unterscheidet sich von der tatsächlichen Rolle allerdings sehr häufig. So bedeutend die gesellschaftliche Aufgabe von Medien ist, so relevant sind in der Praxis leider auch viele andere Faktoren, insbesondere das Geld.

Medien sind im Wesentlichen Körperschaften des Privatrechts (Unternehmen). Wie bei klassischen Unternehmen, haben die jeweiligen Eigentümer einen großen Einfluss auf die innere Gestaltung und Arbeit. Zwar haben fast alle Medien Regelungen, die die Unabhängigkeit der Journalist:innen bzw. der Redaktion absichern sollen. Gerade in den letzten Jahren hat sich aber gezeigt, dass diese Regelungen oftmals ihren Zweck verfehlen und Einfluss auf die Berichterstattung keine Seltenheit ist. 

Wirft man einen Blick auf die Eigentümer*innen der größten Medien im Land, ergibt sich kein besonders differenziertes Bild: Die Raiffeisenbank, die Katholische Kirche und ein paar steinreiche Familien teilen sich den Besitz der österreichischen Medienlandschaft auf. 

SJÖ

Dass Eigentümer bei der Berichterstattung mitreden, ist bei gewissen Medien auf den ersten Blick ersichtlich, bei anderen erst auf den zweiten. Manche Medien machen überhaupt kein Geheimnis daraus, dass ihr Eigentümer intensiv auf die journalistische Arbeit einwirkt: Nachdem zum Beispiel gegen die Miteigentümerin der Tageszeitung ‚Heute‘ Eva Dichand, wegen des Verdachts der (Inseraten-)Korruption ermittelt wurde, feuerte die Tageszeitung über mehrere Wochen kräftig gegen die zuständige Staatsanwaltschaft und alle Medien, die es wagten, über die Vorwürfe zu berichten. Dichand bekam in der Tageszeitung umgehend eine eigene Kolumne mit dem Titel: „Neid, Hass, Missgunst – im Visier der Jagdgesellschaft - Wie eine gut inszenierte Hausdurchsuchung der Startschuss für eine journalistische Hetzjagd auf mich war“. Dass darüber berichtet werden sollte, wenn es schwere Vorwürfe gegen eine Person des öffentlichen Interesses gibt, liegt auf der Hand. Dass es mit unabhängigem Journalismus unvereinbar ist, wenn die beschuldigte Person gleichzeitig die Berichterstattung über sich selbst übernimmt, ebenso. ‚Heute‘ bzw. Dichand machte aber keinen Hehl daraus, dass es bei alldem nicht mehr um Journalismus ging, sondern um eine mediale Hetzjagd gegen die ermittelnden Staatsanwälte. 

Die Causa Dichand ist nur eines von vielen Beispielen dafür, dass die Interessen der Medien-Eigentümer oft schwerer wiegen als die Interessen an unabhängigem Journalismus. Nachdem gegen ÖVP-Politiker und den ‚Österreich‘-Eigentümer Wolfgang Fellner in einem ähnlichen Fall (Inseratenkorruption) ermittelt wurde, begann die Tageszeitung mit einem medialen Dauerfeuer gegen die ermittelnde Staatsanwaltschaft, während Fellner und die ÖVP vorab freigesprochen wurde. Als einige Monate später der ÖVP-Mann und frühere Spitzenbeamte Thomas Schmid in derselben Causa ein umfassendes Geständnis abgelegt hatte, in dem er auch Wolfgang Fellner belastete, ging die Zeitung sofort zum Angriff gegen Schmid über: „Mister Münchhausen“ und „Wirrkopf“ sind noch die freundlicheren Bezeichnungen, die über ihn zu lesen waren. Ein weiteres Beispiel ist die Kronen Zeitung. Dem dortigen Mehrheitseigentümer Christoph Dichand (zufälligerweise Ehegatte der oben erwähnten Eva Dichand) liegt offenbar sehr viel daran, in dieser Position zu bleiben: Als der (frühere) Milliardär Rene Benko die Krone-Anteile eines anderen Eigentümers aufkaufte und versuchte, sich die Mehrheit der Anteile zu sichern, begann die Kronen-Zeitung, die noch unter der Kontrolle von Dichand stand, mit einem medialen Dauerfeuer gegen Benko.

All diese Beispiele zeigen, dass unabhängiger Journalismus spätestens dort aufhört, wo die Interessen der Medieneigentümer*innen beginnen. Dabei muss es aber nicht immer um höchstpersönliche Fragen wie Ermittlungen gehen. Der ehemalige Vizekanzler Reinhold Mitterlehner machte etwa publik, dass Eva Dichand (überraschenderweise Millionärin) Druck auf ihn ausübte, keine Vermögenssteuern einzuführen. Die Unabhängigkeit durch Medien ist aber nicht nur die Interessen der Eigentümer unterminiert. Ein weiterer (und wohl noch größerer Faktor) sind Inserate.

 

Die Inserate 

Als private Unternehmen ist die Frage der Finanzierung für alle Medien eine sehr zentrale. Bis auf wenige Ausnahmen, bei denen ein privater Geldgeber unbeschränkt Ressourcen zur Verfügung stellt (etwa Servus TV), ist es für alle Medien essentiell, regelmäßig Gewinne einzufahren. Wer langfristig keine Gewinne macht, wird - wie jedes Unternehmen - bald vom Markt verschwinden. Die Frage, wie Medien zu möglichst hohen Einnahmen kommen, ist also von großer Bedeutung und liefert zwei Antworten: Einerseits werden die angebotenen Produkte (insb. Zeitungen) verkauft; andererseits durch das Schalten von Werbung/Inseraten für Geld. Insbesondere für Gratis-Medien (etwa die Tageszeitungen ‚Österreich‘ und ‚Heute‘) besteht somit eine massive Abhängigkeit von Inseraten – bleiben diese aus, gibt es keine Einnahmen.

Der mit Abstand größte Inseraten-Kunde in Österreich ist die öffentliche Hand (Bundesregierung, Landesregierungen, Gemeinden). Dass hier bereits ein Interessenkonflikt mit den oben erläuterten Grundsätzen des unabhängigen Journalismus besteht, liegt auf der Hand: Während Medien die Aufgabe haben, Regierungen kritisch zu hinterfragen und die Bevölkerung mit unabhängigen Informationen zu versorgen, sind sie von den Inseraten genau dieser Regierungen abhängig. Dass diese gegenseitige Abhängigkeit – Medien brauchen Inserate; Regierungen brauchen wohlwollende Berichterstattung – in Österreich seit langem dazu führt, dass der unabhängige Journalismus untergraben wird und positive Berichterstattung durch Inserate gekauft werden kann, ist ein offenes Geheimnis. Das heißt nicht, dass jedes Inserat per se schlecht ist: Oft genug besteht ein öffentliches Interesse daran, dass die Regierung die Bevölkerung in Form von Inseraten informiert: Etwa, wenn Lehrkräfte gesucht werden, oder wenn ein neuer Impfstoff angeboten wird. Ein Problem besteht allerdings dann, wenn Inserate nicht mehr zu Informationszwecken geschaltet werden, sondern zu Finanzierungszwecken – insbesondere dann, wenn Inserate eine Gegenleistung für wohlwollende Berichterstattung werden.

Wie 2021 durch Handy-Chats eines ÖVP-Spitzenbeamten bekannt wurde, hat die ÖVP dieses System gemeinsam mit der Tageszeitung ‚Österreich‘ nicht nur perfektioniert, sondern neu aufgesetzt. Der „Deal“ zwischen der ÖVP unter Sebastian Kurz und ‚Österreich‘ unter Wolfgang Fellner lautete nach derzeitigem Ermittlungsstand folgendermaßen: Das ÖVP geführte Finanzministerium schaltete in der Zeitung ‚Österreich‘ Inserate in exorbitantem Ausmaß; im Gegenzug brachte die Zeitung nicht nur ÖVP-freundliche Berichterstattung, sondern veröffentlichte regelmäßig Umfragen, die zuvor im Sinne von Sebastian Kurz „verschönert“ worden sind. ‚Österreich‘ bzw. ‚OE24‘ fungierte nicht mehr als unabhängiges Medium, sondern als Propagandamaschine einer Partei. Einige Jahre später wurde – ebenfalls durch Handychats – bekannt, dass es zwischen den Zeitungen Heute, Kronen Zeitung und der ÖVP ähnliche Absprachen gab. Der ÖVP-Mann Thomas Schmid fasste es in einer Chatnachricht so zusammen: "Wer zahlt, schafft an. Ich liebe das”. Der öffentliche Aufschrei war groß, die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf und der Begriff „Inseratenkorruption" wurde neuer Bestandteil des österreichischen Wortschatzes. Bis auf den Rücktritt von Sebastian Kurz scheint es aber kaum Konsequenzen gegeben zu haben. Die Vergabe von Regierungsinseraten wurde nicht transparenter. Klare Kriterien, nach denen Inserate vergeben werden, würden die Möglichkeiten für Korruption massiv einschränken. Solange aber einzelne Politiker*innen darüber entscheiden können, wo wie viele Inserate geschaltet werden, ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

 

Die Inserate und der Boulevard

Unter Boulevard versteht man eine bestimmte Form des Journalismus, dessen Fokus weniger auf Qualität und Recherche liegt, sondern vielmehr darin, die Bevölkerung durch reißerische Schlagzeilen und große Bilder zu emotionalisieren. Komplexe Fragen werden mit vermeintlich einfachen Lösungen beantwortet, oftmals wird an den ‚Hausverstand‘ appelliert und gerade in letzter Zeit werden häufig rassistische Vorurteile bedient. Dass diese Form des Journalismus vor allem rechten Parteien in die Hände spielt, ist logisch.  Die drei größten Boulevard-Zeitungen in Österreich sind ‘Heute’, ‘Österreich’ (Oe24) und die Kronen Zeitung. Und sie sind auch die mit Abstand größten Inseraten-Abnehmer: Mehr als die Hälfte aller Regierungsinserate im Jahr 2022 ging an diese drei Zeitungen. Statt für Qualitätsjournalismus verwendet die ÖVP unser Steuergeld also lieber für Boulevard-Zeitungen. Dasselbe gilt für die Presseförderung: Die drei oben genannten Zeitungen sind auch jene, die regelmäßig die höchsten Förderbeträge erhalten. All jenen, denen unabhängiger Journalismus in Österreich ein Anliegen ist, muss es bei der gegenwärtigen Situation die Haare aufstellen. Solange der Boulevard in Österreich am stärksten gefördert wird, dürfen wir uns nämlich nicht darüber wundern, dass die österreichische Medienlandschaft ihrer journalistischen Aufgabe nicht gerecht wird. 

 

Text: Noah Straubinger