Interview mit Kid Pex

Stell dich und die SOS Balkanroute in ein paar Sätzen vor!

Mein Name ist Petar Rosandić “Pero”, besser bekannt als Rapper “Kid Pex”. Ich bin grundsätzlich schon lange politisch engagiert, aber nicht immer in diesen Dimensionen. 2000 wurde ich bei den Demos gegen Schwarz-Blau politisch sozialisiert. Danach war ich musikalischer Teil des “Refugee Protest Camp Vienna”, als 2012/2013 Geflüchtete in der Votivkirche in Hungerstreik getreten sind. Seitdem beschäftige ich mich viel mit dem Thema Flucht, viele meiner Freunde sind Geflüchtete und ich habe ja selber Fluchterfahrung: Ich bin in den 90er-Jahren aus Jugoslawien geflüchtet. 

 

SOS-Balkanroute kam zustande, als uns 2019 im Sommer deutsche Aktivist*innen geschrieben und nach Hilfe gefragt haben. Die waren damals im Flüchtlingslager Vučjak. Die sind damals hingefahren mit Spenden, die sie gesammelt haben, um dann dort die Dimension des Leids zu begreifen, während man in Österreich vielleicht noch gar nicht gewusst hat, was sich dort abspielt. Damals war der Satz “Ich habe die Balkanroute geschlossen” von Sebastian Kurz in Erinnerung und das Bild war, dass doch eh erfolgreich gelöst worden wäre. Wir haben da dahinter geschaut, unsere Erfahrungen mitgenommen und in die Medien platziert, wir haben Sammelaktionen organisiert und das läuft eigentlich bis heute. Das ist der vierte Winter, wo wir Sammelaktionen machen. Es gab 58 Hilfstransporte in den letzten dreieinhalb Jahren und haben noch viel mehr getan. Angefangen davon, dass wir in Krisensituationen in diesem Camp Vučjak nach dem Brand des Camps Lipa wortwörtlich Leben retten mussten, weil die EU nicht dazu im Stande oder nicht dazu gewillt war, das zu tun. Und da war Österreich an vorderster Front mit dabei. 

 

Wie schaut die tägliche Arbeit der SOS Balkanroute aus?

Die tägliche Arbeit schaut jeden Tag im Grunde unterschiedlich aus. Im Herbst und Winter sind das vor allem die Sammelaktionen und die logistische Organisation, sprich durch ganz Österreich fahren, um Unterstützer*innen zu mobilisieren und spenden zu sammeln. Wir hatten etwa Aktionen in Dornbirn, in Linz sogar zweimal, in Steyr, in Vöcklabruck, in Graz, in Innsbruck. Das läuft seit Jahren so und da haben wir unsere Netze in Österreich, die jedes Jahr, sei es auch nur einmal, bereit sind, wirklich einen enormen Beitrag zu leisten. 

 

Das ist der Wintermodus. Das ist definitiv der härteste. Und im Frühling und im Sommer versorgen wir unsere lokalen Hilfsnetzwerke vor Ort, aber da haben wir mehr Zeit uns auf “bewusstseinsfördernde Maßnahmen” zu konzentrieren. Letztes Jahr waren wir etwa am Weltflüchtlingstag beim Asyltribunal, wo zwei unserer Unterstützerinnen auch Zeuginnen waren. Jetzt wollen wir vermehrt Filme zeigen. Michael Bonvalot ist zum Beispiel mit uns mitgekommen und hat einen super Film gemacht. Er heißt “Schande Europa”. Und wir versuchen die Zeit für Straßenaktivitäten zu nutzen. Am 18.03. war die Demo der “Plattform für eine menschliche Asylpolitik” mit Harri Stojka, EsRAP und Marco Pogo. Letztendlich bleiben wir nur ein humanitärer Feuerlöscher. Denn das derzeitige System will keine Lebensperspektiven geben. Aber wir können die Situation für die Menschen erträglicher machen und ihnen das geben, wonach sie fragen.

 

Wie ist das Lage vor Ort?

Die Situation variiert natürlich von Jahreszeit zu Jahreszeit und je nach Anzahl an Geflüchteten. Manchmal gibt es eine Welle und dann wieder nicht. Fundamental gesprochen ist das Elend immer das gleiche. Die Menschen, die am wenigsten in ihrer Geldbörse haben, leben da in leerstehenden Fabriken. Sie suchen dort Zuflucht und versuchen dann, über die Grenze nach Kroatien zu kommen, wo sie halt seit Jahren massive Pushbacks erleben. Und andererseits erleben wir jetzt seit eineinhalb Jahren, dass es zu Routenverschiebungen kommt, vor allem Richtung der serbisch-ungarischen Grenze. Dort ist die Situation zahlenmäßig schlimmer als in Bosnien. Deswegen haben wir dieses Jahr auch dorthin einen LKW geschickt, unterstützen dort lokale Gruppen, unter anderem “Klick Aktiv” - eine serbische NGO - und “Collective Aid” - eine internationale NGO. 

 

Die grundsätzliche Situation ist genauso, wie als wir begonnen haben. In Bosnien, wo wir am meisten machen, ist der Unterschied, dass dort Infrastruktur - auch unter anderem Dank uns - aufgebaut worden ist und dass, wenn morgen was passieren sollte, es vielleicht nicht so arg schlimm wird. Wir wissen, dass das alles auf der Zivilgesellschaft basiert und nicht staatlich gewollte Politik ist. Zumindest haben jetzt aber die Helfer*innen vor Ort beispielsweise ein Auto oder Räumlichkeiten. Wir finanzieren unter anderem ein Tageszentrum in Sarajewo, das es seit drei Jahren gibt. Dort bekommen Leute Rechtsberatungen, Workshops, Deutschkurse oder individuelle Betreuung und im Grenzgebiet selber haben wir lokale, seit Jahren tätige Leute, wie etwa Baba Assi oder Mama Zemira. Diese schillernden Leute helfen seit Jahren anderen und das System schafft es trotzdem nicht, sie zu zermürben, weil sie immer weitermachen.  

 

Text: Fabian Zickler